2012 – Das Ende aller Zeiten by Brian D’Amato

2012 – Das Ende aller Zeiten by Brian D’Amato

Autor:Brian D’Amato [D’Amato, Brian]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Lübbe Digital
veröffentlicht: 2012-11-04T23:00:00+00:00


(36)

Also hast du dich nur bedeckt gehalten, dachte ich, an Schakal gerichtet. Du hast auf den ersten unbeobachteten Moment gewartet, um abzuspringen. Ziemlich lahm.

Schakal antwortete nicht. Trotzdem wusste ich genau, dass er da war. Ich spürte, wie er in einer Gehirnfalte hockte, sich zusammenkauerte, sich wand.

Ich weiß, dass du das hörst, dachte ich. Es hat dir Spaß gemacht zuzusehen, wie ich voller Angst zur Strecke gebracht wurde. Hast es richtig genossen, meine Angst zu erleben. Du bist erbärmlich. Aber wenn du dich umbringen willst, warum hast du dann während der Jagd nicht das Ruder in die Hand genommen?

Keine Antwort.

Du hättest uns mit dem Kopf gegen einen Felsen rennen können. Hast du aber nicht getan. Du wolltest nicht gefangen werden, stimmt’s? So ist es doch, nicht wahr? Du hast nichts dagegen, zu sterben, es ist dir sogar recht, aber du wolltest dich nicht von so einem Ozelot-Jüngelchen demütigen lassen. Habe ich recht?

Nichts.

Na gut, wenn du schmollen willst, bitte sehr.

Okay. Wo war ich?

Also, zuallererst, diesmal war ich wirklich betäubt worden, und es fühlte sich an wie ein Narkotikum, Ololiuqui vielleicht, oder eine andere Zubereitung aus Windsamen, die man »Morgenpracht« nannte. Zu erinnern gab es also nicht viel. Ich wusste, dass ich wieder lange Zeit getragen worden war, zuerst waagerecht, dann senkrecht. Und nun legte man mich auf einer Matte ab, dem Geruch nach zu in einer frisch errichteten Schilfhütte. Ich hatte noch immer einen Schwammpfropfen im Mund und klebrigen Stoff über den Augen. Meine Hände waren vor dem Bauch gefesselt – was mir inzwischen luxuriös vorkam im Vergleich zu der Fesselung hinter dem Rücken –, und meine Füße schienen zusammengebunden zu sein, was ich aber nicht so richtig sagen konnte, weil von dort zu viel taubes Gefühl und pochender Schmerz kamen. Das Geweih und, soweit ich es spüren konnte, auch die anderen Kostümteile waren nicht mehr da. Irgendwo rauschte es, vielleicht der Wind in kahlen Zweigen, und es roch ein wenig nach Wasser. Vielleicht waren Vögel in der Nähe, denn ich war ziemlich sicher, dass wir frühen Morgen hatten.

Muss dafür sorgen, dass ich ans Ruder komme, dachte ich. Ich zappelte ein bisschen. Ja, ich glaube, dass ich das Sagen habe. Fürs Erste jedenfalls. Wenn Schakals Verstand die Oberhand hatte, fühlte es sich eher so an wie …

Hmm. Wie war das eigentlich? Schwierige Frage. Allgemein gesagt war es wohl wie … ich weiß nicht. Wie der Geschmack von Salz. Wie der Klang einer Bratsche. Wie eine vierdimensionale Kugel.

Etwas war anders.

Der Rhythmus beim Tragen hatte sich verlangsamt und endete dann, als wären wir am Bestimmungsort angekommen. Die Luft war anders.

Ich weiß, wo wir sind, dachte Schakal plötzlich. Er erlebte ein Gefühl, das ich von ihm noch nicht kannte, weder Wut noch Angst, sondern ein schleichendes Unbehagen. Wir sind an unserer Laube, dachte er. Hier kommt unser Lehm her.

Wir waren in der Nähe von Bolocac, Schakals Heimatdorf. In mir stieg das Bild eines aufgeforsteten Hohlwegs auf, und das Rauschen wurde zu gluckernden Stromschnellen und einem weiß schäumenden Wasserfall.

Du wirkst ein bisschen aufgeregt, dachte ich.

Er antwortete nicht.



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